Von Prof. Dr. Günther Pflug
Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache
Für Journalisten gibt es angeblich nichts Langweiligeres als die Zeitung von gestern - so lautet jedenfalls ein bekannter Leitspruch im schreibenden Gewerbe. Dahinter verbirgt sich manchmal ein schlechtes Gewissen: Der Journalist möchte lieber nicht noch einmal nachlesen, was er vorgestern geschrieben hatte; sei es, weil er mit seinem rasch hingeworfenen Kommentar inhaltlich daneben lag, sei es, daß der Artikel stilistisch zu wünschen übrig ließ.
Gerade der politische Journalismus verführt in dem schnellen Wandel der Tagesereignisse, dem fortgesetzten Springen von einer Aktualität zur nächsten zu einem allzu flotten, nicht immer durchdachten Umgang mit der Sprache. Schnell niedergeschrieben, fehlt den Sätzen oft nicht nur die Brillanz der Formulierung, sondern auch - was schlimmer ist - die Präzision der Aussage. Und gerade das aber macht Sprachkultur aus.
Im vorliegenden Buch wird der Beweis erbracht, daß sich Sprachkultur und journalistisches Tagesgeschäft durchaus verbinden lassen. Es sind Aufsätze von Alexander Rhomberg, der seine Presse-Laufbahn beim „Münchner Merkur“ begann und später, bis zu seinem Tod im Jahr 1992, die Redaktion der „Nürnberger Zeitung“ leitete. Alexander Rhomberg hatte Sprachkultur. Durch seine Wiener Geburt knüpfte er an die dortige Sprachtradition eines Karl Kraus an, die Leichtigkeit mit Genauigkeit verband. Von seiner Jugend an getragen von einem hohen Sprachgefühl, empfand er schon früh, daß zum täglichen Schreiben mehr als eine leichte Feder gehört, nämlich auch eine strenge sprachliche Zucht, um dem Sumpf der Schludrigkeiten und Halbwahrhei
ten zu entgehen. Ein juristisches Studium hat seine Fähigkeit zur sauberen Faktenermittlung und zur Genauigkeit der logischen Ableitung gefördert. Daß sein Lebensweg ihn nicht in die seinem Studium naheliegenden Berufe, sondern in den Journalismus führte, hatte einen wesentlichen Grund in seinem Interesse an der Sprache. Täglich zu schreiben, unter engen Zeitvorgaben, unter dem ständigen Druck der Ereignisse, und dennoch die Ideale der Genauigkeit nicht zu verletzen, das war für ihn von so hohem Reiz, daß er den journalistischen Beruf erwählte.
Die Lektüre seiner Leitartikel, Reportagen und Glossen - nicht nur zu politischen Themen - aus rund zwei Jahrzehnten ist auch heute noch ein Gewinn. Es sind Beiträge, die einst für den Tag geschrieben wurden, doch ohne Verfallsdatum, wie sich rückblickend feststellen läßt. Darüber hinaus zeichnet speziell seine Kommentare eines aus: sie verdienen diesen Namen tatsächlich, weil in ihnen Meinungen und klare Standpunkte vertreten werden. Meinungen, die man nicht in jedem Fall teilen muß, die aber erfrischend wirken angesichts der zunehmenden Einebnung der Kommentarspalten zu meinungslosen Ausgewogenheits-Wüsteneien (einerseits, andererseits ...) Das ist eine neue Form der Sprachlosigkeit im Journalismus, die einhergeht mit dem Verfall der Sprachkultur. Stil wie Inhalt darben einträchtig vor sich hin.
Es gibt in diesem Beruf vier Kardinaltugenden: Sprachgefühl und Sprachzucht, Unbestechlichkeit des Blicks und Genauigkeit des Ausdrucks. Alexander Rhomberg mit seiner ungewöhnlich breiten Themenpalette war in allen vier Punkten ein Vorbild. Er verstand es, auch schwierige Zusammenhänge in leicht faßliche Artikel umzusetzen - in kurze, prägnante Sätze. Hinzu kam seine geistige Unabhängigkeit: Alexander Rhomberg ließ sich Zeit seines Lebens in keine der üblichen Schubladen pressen.Die Heranbildung des journalistischen Nachwuchses war ihm ein großes Anliegen.
Die jungen Kollegen, die durch seine Schule gegangen sind, haben von ihm erfahren, wie wichtig der sprachliche Ausdruck für ihre berufliche Arbeit ist, ebenso wichtig wie die selbständige Urteilskraft. Letztere beweist sich in diesem Buch in vielen Aufsätzen von - in der Rückschau - geradezu prophetischer, analytischer Schärfe. Ein vorbildlicher Journalist: In Erinnerung an ihn und zur Ermunterung der nachfolgenden Berufs-Generation zeichnet die AlexanderRhomberg-Stiftung alle zwei Jahre junge Journalisten mit einem Preis aus.
Als ein Ansporn, sich dem Ziel zu nähern, das Alexander Rhomberg erreicht hat.