Mittwoch, 21. März 2012

Wider die Sprachlosigkeit

Von Prof. Dr. Günther Pflug
Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache

Für Journalisten gibt es angeblich nichts Langweiligeres als die Zeitung von gestern - so lautet jedenfalls ein bekannter Leitspruch im schreibenden Gewerbe. Dahinter verbirgt sich manchmal ein schlechtes Gewissen: Der Jour­nalist möchte lieber nicht noch einmal nachle­sen, was er vorgestern geschrieben hatte; sei es, weil er mit seinem rasch hingeworfenen Kommentar inhaltlich daneben lag, sei es, daß der Artikel stilistisch zu wünschen übrig ließ. 

Gerade der politische Journalismus verführt in dem schnellen Wandel der Tagesereignisse, dem fortgesetzten Springen von einer Aktuali­tät zur nächsten zu einem allzu flotten, nicht immer durchdachten Umgang mit der Spra­che. Schnell niedergeschrieben, fehlt den Sät­zen oft nicht nur die Brillanz der Formulie­rung, sondern auch - was schlimmer ist - die Präzision der Aussage. Und gerade das aber macht Sprachkultur aus.

Im vorliegenden Buch wird der Beweis er­bracht, daß sich Sprachkultur und journali­stisches Tagesgeschäft durchaus verbinden las­sen. Es sind Aufsätze von Alexander Rhom­berg, der seine Presse-Laufbahn beim „Münch­ner Merkur“ begann und später, bis zu seinem Tod im Jahr 1992, die Redaktion der „Nürn­berger Zeitung“ leitete. Alexander Rhomberg hatte Sprachkultur. Durch seine Wiener Ge­burt knüpfte er an die dortige Sprachtradition eines Karl Kraus an, die Leichtigkeit mit Ge­nauigkeit verband. Von seiner Jugend an ge­tragen von einem hohen Sprachgefühl, emp­fand er schon früh, daß zum täglichen Schrei­ben mehr als eine leichte Feder gehört, nämlich auch eine strenge sprachliche Zucht, um dem Sumpf der Schludrigkeiten und Halbwahrhei­

ten zu entgehen. Ein juristisches Studium hat seine Fähigkeit zur sauberen Faktenermit­tlung und zur Genauigkeit der logischen Ablei­tung gefördert. Daß sein Lebensweg ihn nicht in die seinem Studium naheliegenden Berufe, sondern in den Journalismus führte, hatte einen wesentlichen Grund in seinem Interesse an der Sprache. Täglich zu schreiben, unter engen Zeitvorgaben, unter dem ständigen Druck der Ereignisse, und dennoch die Ideale der Genau­igkeit nicht zu verletzen, das war für ihn von so hohem Reiz, daß er den journalistischen Beruf erwählte.

Die Lektüre seiner Leitartikel, Reportagen und Glossen - nicht nur zu politischen Themen - aus rund zwei Jahrzehnten ist auch heute noch ein Gewinn. Es sind Beiträge, die einst für den Tag geschrieben wurden, doch ohne Verfalls­datum, wie sich rückblickend feststellen läßt. Darüber hinaus zeichnet speziell seine Kom­mentare eines aus: sie verdienen diesen Namen tatsächlich, weil in ihnen Meinungen und klare Standpunkte vertreten werden. Meinungen, die man nicht in jedem Fall teilen muß, die aber erfrischend wirken angesichts der zunehmen­den Einebnung der Kommentarspalten zu meinungslosen Ausgewogenheits-Wüsteneien (einerseits, andererseits ...) Das ist eine neue Form der Sprachlosigkeit im Journalismus, die einhergeht mit dem Verfall der Sprachkultur. Stil wie Inhalt darben einträchtig vor sich hin.

Es gibt in diesem Beruf vier Kardinal­tugenden: Sprachgefühl und Sprachzucht, Unbestechlichkeit des Blicks und Genauigkeit des Ausdrucks. Alexander Rhomberg mit sei­ner ungewöhnlich breiten Themenpalette war in allen vier Punkten ein Vorbild. Er verstand es, auch schwierige Zusammenhänge in leicht faßliche Artikel umzusetzen - in kurze, prä­gnante Sätze. Hinzu kam seine geistige Unab­hängigkeit: Alexander Rhomberg ließ sich Zeit seines Lebens in keine der üblichen Schubla­den pressen.Die Heranbildung des journalistischen Nach­wuchses war ihm ein großes Anliegen. 

Die jungen Kollegen, die durch seine Schule gegan­gen sind, haben von ihm erfahren, wie wichtig der sprachliche Ausdruck für ihre berufliche Arbeit ist, ebenso wichtig wie die selbständige Urteilskraft. Letztere beweist sich in diesem Buch in vielen Aufsätzen von - in der Rück­schau - geradezu prophetischer, analytischer Schärfe. Ein vorbildlicher Journalist: In Erinnerung an ihn und zur Ermunterung der nachfolgenden Berufs-Generation zeichnet die Alexander­Rhomberg-Stiftung alle zwei Jahre junge Jour­nalisten mit einem Preis aus. 

Als ein Ansporn, sich dem Ziel zu nähern, das Alexander Rhom­berg erreicht hat.


Lebenslauf


ALEXANDER RHOMBERG 

1943 in Wien geboren.
- Volksschule in Martinszell,Allgäu. Gymnasialzeit in Osnabrück

- Lyzeum Alpinum Zuoz/Schweiz, Abitur. 

- Jurastudium in München und Tübingen.

- Privatwirtschaftliche Tätigkeit in Österreich.

- 1972 Volontariat, Redakteur b. Münchner Merkur.

- 1978 Nürnberger Zeitung, stellv. Chefredakteur.

- 1991 Ernennung zum Chefredakteur der Nürnberger Zeitung